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02. April 2020

Pressemitteilung

ASW-Interview mit Bernd Jürgens, Geschäftsführender Direktor in der KÖTTER Security Gruppe: Wir brauchen jetzt temporäre Ausnahmeregelungen

Hamburg/Essen. Die Sicherheitsbranche zeigt sich mitten in der Corona-Krise zwar sehr flexibel. Aber von den Nöten der Branche am Beispiel des Sicherheitsunternehmens KÖTTER GmbH & Co. KG Security aus Essen berichtet Bernd Jürgens in einem Interview mit der ASW Norddeutschland. Seine Kernforderungen an die Politik sollten zügig umgesetzt werden. Das Gespräch führte der Pressesprecher Klaus Kapinos.

ASW Nord: Zunächst - Wie geht es Ihnen persönlich im Moment?

Bernd Jürgens: Vielen Dank, mir geht es gut. Meine Familie und ich sind bisher verschont geblieben.
Wir nehmen „social distancing“ privat wie beruflich sehr ernst – von daher fehlt natürlich der persönliche/direkte Kontakt zu anderen. Aber mit den gegebenen Möglichkeiten, wie z.B. Videochats, tausche ich mich mit der weiteren Familie, Freunden und natürlich meinem Team regelmäßig aus.
Wesentlich wichtiger sind mir aktuell aber unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen der Großteil nicht so einfach aus dem Home-Office heraus agieren kann. Die Kolleginnen und Kollegen, die beim Kunden vor Ort im Einsatz sind, machen hier einen großartigen Job, darauf bin ich richtig stolz.

Und wie geht es Ihrem Unternehmen derzeit? Wir hören von Auftragseinbrüchen auf der einen und Personalmangel auf der anderen Seite… Was steckt dahinter?

Wir stehen vor großen Herausforderungen. Auf der einen Seite brechen uns Aufträge weg, z. B. aus dem öffentlichen Sektor oder bei Unternehmen, die von zum Beispiel Betriebsschließungen betroffen sind. Auf der anderen Seite könnten wir zahlreiche Mitarbeiter einstellen, um Aufträge insbesondere aus dem Handel, dem Gesundheitswesen, von Kreditinstituten und ein paar weiteren Branchen anzunehmen. Das einfache Versetzen der Mitarbeiter von A nach B ist aber leider nur bedingt möglich. Um das entstehende und doch recht große Delta auszugleichen, benötigen wir neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Was sind dabei und darüber hinaus die dringendsten Probleme?

Da auf dem Arbeitsmarkt derzeit keine qualifizierten Kräfte vorhanden sind, sind wir auf branchenfremde Mitarbeiter angewiesen, die wir gerne einsetzen würden, aber nicht so einfach einsetzen dürfen. Denn diese müssen zunächst die gemäß Gewerbeordnung vorgeschriebene 40-stündige Unterrichtung bei der IHK durchlaufen haben. Und deren Kurse sind bis auf weiteres ausgesetzt. Wir brauchen daher temporäre Ausnahmeregelungen. Hier muss die Politik dringend handeln.
Die nächste Herausforderung sind die steigenden Krankenzahlen und damit verbunden die Lohnfortzahlungskosten, die gerade personalstarke Branchen wie die unsere hart treffen. Wir appellieren daher eindringlich an die Politik, auch hier eine kurzfristige Lösung zu schaffen. Diese sollte darauf abzielen, dass die gesetzlichen Krankenkassen das Krankengeld bereits ab dem ersten Tag übernehmen, statt aktuell erst nach der sechsten Woche.

Werden die Nöte der Sicherheitsbranche in der Politik wahrgenommen?

Zunächst einmal bin ich der Meinung, dass unsere Politiker aktuell einen tollen Job machen. Und ja, unsere Nöte werden von ersten Politikern auch schon wahrgenommen. Allerdings fehlt mir hierzu noch eine entsprechende Reaktion. Ich hoffe, dass diese eher heute als morgen kommt.

Sie stehen ja für eine personalintensive Branche. Haben Sicherheitsdienstleister ausreichend Schutzbekleidung für den operativen Einsatzbereich?

Wir schauen uns hier immer den entsprechenden Einsatzbereich an und erstellen individuelle Gefährdungsbeurteilungen. Ein Mitarbeiter im nächtlichen Revierwachdienst benötigt z. B. eine andere Ausstattung als ein Mitarbeiter an einer LKW-Pforte, der mit mehreren Personen in Kontakt kommt und ganz andere Aufgaben hat. Aktuell können wir unsere Mitarbeiter mit den benötigten Dingen ausstatten, wobei die Beschaffung immer schwieriger und teurer wird. Die notwendige Schutzausrüstung ist aber nur ein Bestandteil von mehreren Maßnahmen. Ein weiterer und mindestens genauso wichtiger Punkt ist die regelmäßige Kommunikation und Sensibilisierung unserer Teams in Bezug auf Hygienemaßnahmen und andere Verhaltensregeln.

Wirkt sich das nur bedingt betriebsbereite Bewacherregister in dieser Situation verschärfend aus?

Selbstverständlich. Schon vor Corona gab es starke zeitliche Verzögerungen bei den Freigaben. Diese Situation hat sich nun noch einmal verschärft.

Was kann der Branche helfen, um flächendeckende Insolvenzen kleinere Betriebe zu verhindern?

Zunächst: Es sind nicht ausschließlich kleinere Betriebe betroffen. Es gibt in unserer Branche genügend große Unternehmen, die sich auf bestimmte Dienstleistungen oder Zielgruppen fokussiert haben. Auch diese kämpfen nun um ihre Existenz.
Um all diesen zu helfen, sollte die Übernahme der Lohnfortzahlung bereits ab dem ersten Krankheitstag zum Tragen kommen und zum anderen die ebenfalls zuvor genannten Ausnahmeregelungen beim Einsatz neuer Mitarbeiter. Letzteres würde den Unternehmen ermöglichen, Neuaufträge anzunehmen und sich damit ggf. über Wasser zu halten.

Der Handel äußert zunehmend Befürchtungen über Plünderungen von Geschäften und Lagern. Spektakuläre Diebstähle von Schutzbekleidung wurden in den letzten Tagen gemeldet. Hat die Sicherheitsbranche sich beim Objektschutz auf diese möglichen Folgen eingestellt?

Wir wissen um die Nöte des Handels, von denen übrigens auch Krankenhäuser oder das produzierende Gewerbe betroffen sind. Wir können unseren Teil dazu beitragen, dass deren Befürchtungen nicht Realität werden bzw. die bereits eingetretenen Fälle eine Ausnahme bleiben. Dafür sind aber die bereits angesprochenen Ausnahmeregelungen nötig. Denn ohne diese können wir den systemrelevanten Branchen nicht die gewünschte Personalstärke zur Verfügung stellen, die sie eigentlich benötigen.

Vielen Dank für das Gespräch und – bleiben Sie gesund.

Zur Person: Bernd Jürgens ist Geschäftsführender Direktor der KÖTTER SE & Co. KG Security in Hamburg und Beiratsmitglied der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Norddeutschland.

Quelle: ASW Norddeutschland

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